Leben in Thy - Teil 3: Die letzte Zeit


Teil drei unserer Serie "Leben in Thy" von sinterklaas und gleichzeitig der Abschluss der hochinteressanten Trilogie. Er schilderte bereits in den vorangegangenen Teilen, wie es ihm als deutschem "Auswanderer" ergangen ist...

sinterklaas lebte für einen längeren Zeitraum in Thy - arbeitete in Hanstholm und wohnte in Vorupør... in einem Ferienhaus!

In seinem Dreiteiler über seine Entscheidung, nach Dänemark zu ziehen, schildert sinterklaas die Umzugsentscheidung, die ersten Wochen im neuen Umfeld, sein Arbeitsleben und viele andere interessante und verbüffende Fakten und Stories! Heute könnt Ihr den dritten Teil lesen: Leben in Thy Teil 3: Die letzte Zeit.

von sinterclaas:

"Weihnachten zu Hause! Nachdem meine Umzugsfahrt nach Nörre Vorupör ja geprägt war durch diverse technische Unzulänglichkeiten an meinem fahrbaren Untersatz und auch durch einige Umwege, sollte die Rückfahrt nun einfacher und vor allem sicherer werden.

Jim´s Autowerkstatt aus Nørre möchte ich an dieser Stelle einmal sehr lobend erwähnen. Die Jungs nahmen sich ohne Umschweife meines Volvos an und versicherten mir diesmal eine längere Haltbarkeit meines Lichtmaschinenkeilriemens… Der von Falk ausgewechselte Riemen hielt leider auch nur 2 Wochen! Theoretisch kann man so was ja auch selber machen…
Meine Kollegin empfahl mir nun eine Strecke über Skive und dann auf die 13 bis Vejle. Mein Wagen war vollgepackt mit Geschenken für Familie, Freundin und Freunde. Diverse Einkaufsfahrten nach Skive, Nyköbing und Thisted hatten mir es einfach gemacht, die passenden Geschenke zu finden. Dänemark ist in der Vorweihnachtszeit einfach genial. Überall Stände mit gebrannten Mandeln und Gløgg… da verwandelt sich schon die eine oder andere Krone in ein alkoholisches Getränk anstatt, wie geplant, in ein weihnachtliches Mitbringsel.
Was ich in Deutschland auf diese Weise nie erlebt habe, es gab einen ganz tollen und sehr persönlich gepackten Weihnachtskorb für jeden Mitarbeiter der Firma. Komisch, meiner enthielt doch einige Flaschen Bier mehr… Woher wissen die nur...???

Paulchen staunte nicht schlecht, als ich an einem Donnerstag nur kurz ins Haus kam, ihn durchfütterte und dann zum Auto trug. Der Dicke zappelte ganz schön als er merkte, dass nun wieder eine Autofahrt anstand. Um es kurz zu machen, auch diese Fahrt war nicht zur Erbauung geeignet. Starker Nebel, Stau in Skive und bei Vejle sowie auf der Autobahn bei Flensburg… Es dauert mehr als sechs Stunden ehe der Sofatiger und ich heimische Gefilde erreichten.
Weihnachten war prima im Rahmen der Familie und wenn ich ehrlich bin, so richtig gerne fuhr ich nach Sylvester nicht wieder Richtung Nørre. Meine damalige Freundin zeigte sich wenig erbaut, dass mein zweiter Sofatiger mit dem Namen Felix weiterhin bei ihr bleiben sollte.
So 'setzte' sich, sehr zum Erstaunen von Paulchen, auch sein Kollege mit ins Auto. Es war kalt und dunkel als ich die bekannte Strecke auf der Autobahn bis hinter Vejle fuhr. Bis hier konnte man auch noch den Heimatradiosender NDR 2 hören, danach war dänischer Rundfunk angesagt. Mittlerweile war mein Dänisch auch so gut, dass ich wirklich mitbekam, worüber geredet wurde. Spät in der Nacht kam ich an und in der kleinen Ferienhaussiedlung war es bis auf wenige Lichter dunkel. Schei… fluchte ich, als ich mein Häuschen betrat und auf das Thermometer blickte… ganze 8 Grad plus! Felix inspizierte derweil seine neue Heimat und die geruchlichen Hinterlassenschaften von Kollege Paulchen aufs Eifrigste. In der Nacht krochen beide mit in mein Bett und am nächsten Morgen war es dann auch wieder warm!

Das Einleben ging wieder schnell und ich fühlte mich schon bald wieder als Eingeborener.
Der Winter war kalt, die Heizung lief auf Dauerbetrieb im Ferienhaus. Oft ging ich in Nørre an den Strand zum Spazieren oder joggte auch bis zum Strand und wieder zurück. Einsamer und schöner konnte es gar nicht sein. Nur wenige Touristen verirrten sich dick eingemummelt nach Nørre, auch Klitmøller oder Stenbjerg zeigten sich verwaist. Herrlich eigentlich! Immer wieder schön waren die Abende an der Mole bei den Fischkuttern.

Ich erfreute mich an den samstäglichen Einkauftouren nach Thisted, besuchte die Bunkeranlagen in Hantholm, fuhr öfter nach Skive oder Holstebro, machte Touren an die Küste bei Agger oder auch in den Norden nach Hune und bis Skagen, zudem öfter nach Lemvig. Ein Sonntag führte mich nach Aalborg und es war sehr angenehm dort, mal mehr als nur 5 Menschen auf einem Fleck zu sehen. Freunde aus Deutschland und Eltern besuchten mich und ich spielte Fremdenführer für die Tage.

Bei einer nächtlichen Fahrt von Deutschland nach Nørre musste ich in Spjald tanken. Es war tiefster Winter und überall lag Schnee. Die Fahrt war anstrengend, Paulchen und Felix wohl auch schon genervt von der langen Tour. Ich hielt jedenfalls irgendwann gegen Mitternacht an der Tankstelle am Ortseingang an und bediente den Tankautomat (eine segensreiche Erfindung, von den Dingern gibt es bei uns noch viel zu wenig…).
Mein Auge erblickte dabei in den Verkaufsräumen des Autohändlers einen wunderschönen alten Volvo Amazon.  Ganz fasziniert stand ich da und fragte mich, was so was wohl kosten könnte, da flitzte eine dicke graue Katze an mir vorbei. Das wird doch wohl nicht….
Doch, leider! Ich hatte die Tür nicht richtig zugemacht und Paul hatte dies zum Anlass genommen das Weite zu suchen. Dies mitten im Winter, mitten in der Nacht und noch gut 2 Stunden Fahrt vor mir. Prima! Ich Holzkopf! Wenn ich den hier nicht wiederfinden würde… Aber der Dicke war wohl selber zu erstaunt über die wiedergewonnene Freiheit und ließ sich nach 10 Minuten wieder blicken und einsammeln.

Im Januar hatte ich mich mit einem älteren Herren angefreundet, dessen Leidenschaft, wie bei mir, die Oldtimern waren. Wir hatten zufällig auch denselben Wagen, einen Lloyd Alexander von 1959. Ich war öfter da und besuchte ihn und seine reizende Frau auf ein Pläuschchen und der obligaten Kop Kaffe. Wildfremde Menschen luden mich ein in ihr Haus und bewirteten mich. Tolle Gastfreundschaft bei den Dänen !

Bei Jims Autowerkstatt im heimatlichen Nørre Vorupør war ich nun häufiger und (hoffentlich) gerne gesehener Kunde. Die Macken an meinem Wagen häuften sich. So lernte ich zumindest auch technische Begriffe in einer anderen Sprache!

Ab und an besuchte ich mal meine Kollegen bei denen zu Hause, insbesondere meine dänisch-deutsche Kollegin, die ja in Sønder Vorupør wohnte. Die Tage und Wochen zogen so dahin. Wenn man ganz ehrlich ist, es fehlte etwas das soziale Umfeld und die Kontakte zur Familie und Freunden. Auch wenn ich öfter über ein verlängertes Wochenende nach Hause fuhr, ein richtiges Einleben war schwierig und ich war ja auch nur einen bestimmten Zeitraum da.

Jeder, den ich traf, war freundlich und aufgeschlossen. Viele fragten interessiert woher und warum, denn mein deutscher Akzent blieb wohl doch unüberhörbar. Nie bin ich dabei auf Ablehnung oder Unverständnis gestoßen, ganz im Gegenteil. Sind die Einwohner der Region Thy vielleicht auch etwas verschlossen, aber die Freundlichkeit war überall spürbar.
Meine Sprachkenntnisse erlaubten mir auch einen recht lockeren und offen Umgang mit den Menschen. Oft sprachen wir im Dienst und auch Privat über die Vorurteile, die Deutsche und Dänen so haben. Da ich nun kein richtiger Deutscher bin, sondern aus einem niederländisch-indonesisch-deutschen Haushalt komme, war es recht lustig mitzureden, aber auch diese Diskussion etwas mit Abstand zu betrachten zu können.   

Der Frühling kam und ich gewöhnte mich immer mehr an das dänische „Zuhause“ und auch die Eigenarten, die zum Teil da waren. Was mich am meisten annervte, war die Gleichgültigkeit, mit der einige Dänen Ihre Umwelt und die Tiere behandelten.

Bei NETTO oder Super Brugsen einkaufen zu gehen und den Wagen mit laufendem Motor für 20 Minuten auf dem Parkplatz stehen zu lassen, scheint für viele einfach normal. Übrigens bei NETTO parke ich nie wieder, habe ich mir geschworen. Hatte in Thisted auf deren Kundenparkplatz meine Parkuhr nicht richtig gestellt und fand, als ich wiederkam, war einen Strafzettel über 575.- Dkk am Scheibenwischer. Ich war dermaßen verärgert über die Höhe des Betrages und habe einfach nicht bezahlt… und bisher ist auch noch nichts passiert!

Im April bat mich dann mein Chef um ein persönliches Gespräch. Was wohl nun kommen würde? Aber er zeigte sich von meinen Leistungen sehr angetan und fragte, ob ich mir nicht vorstellen könnte, für immer in Hanstholm zu arbeiten. Man würde mir eine richtige Wohnung suchen und vielleicht hätte ich ja sogar mal die Chance die Tochter des Brauereibesitzers kennen zu lernen ;-)  Ich musste grinsen und erbat mir einige Tage Bedenkzeit.
 
Es mag für einige Leser sicher nicht nachvollziehbar sein, die die Region im Urlaub lieben und schätzen gelernt haben, aber ich habe meinen Vertrag noch um 2 Monate verlängert und bin dann aber wieder nach Deutschland zurückgezogen. Dies hatte nichts mit meiner Freundin zu tun, denn wir hatten uns auch in diesem April per Telefonat getrennt.

Am vorletzten Tag wollte ich mich noch von dem alten Herren mit seinem Oldtimer verabschieden und erfuhr, dass er in der vorherigen Nacht verstorben war. Am letzten Tag ging die gesamte Firma mit mir Essen und Kegeln. Es wurde ein langer und feuchtfröhlicher Abend!

Die Zeit in Nørre Vorupør und Hanstholm wird für mich immer unvergesslich bleiben und es ist doch völlig klar, wo in Dänemark der nächste Urlaub stattfinden wird. Und irgendwann lerne ich sie doch noch kennen, die Tochter des Brauereibesitzers in Thisted…  SKÅL!"

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Dienstag 12 Juli 2005 04:00:00 von admin

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