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Leben in Thy - Teil 2: Erste Erfahrungen
Datum: Montag 28 März 2005 00:00:00
Thema: Thy


Teil zwei unserer Serie "Leben in Thy" von sinterklaas. Er schilderte bereits in Teil 1, wie die Hinfahrt und die ersten zwei Tage in der neuen Wohn- und Arbeitsumgebung verliefen. Nun lesen wir die nächste Episode!



sinterklaas lebte für einen längeren Zeitraum in Thy - arbeitete in Hanstholm und wohnte in Vorupør... in einem Ferienhaus!

In seinem Dreiteiler über seine Entscheidung, nach Dänemark zu ziehen, schildert sinterklaas die Umzugsentscheidung, die ersten Wochen im neuen Umfeld, sein Arbeitsleben und viele andere interessante und verbüffende Fakten und Stories! Heute könnt Ihr den zweiten Teil lesen: Leben in Thy Teil 2: Erste Erfahrungen!

von sinterklaas:

"Mein erster Arbeitstag: Es kostete einige Überwindung, mich aus meiner Bettdecke zu pellen. In meinem Ferienhaus war es kalt. Nicht umsonst hatte mein Kater Paulchen sich in der Nacht mit in mein Bett gelegt. Einfachverglasung und schlechte Isolierung... klar, hieß ja auch nicht umsonst Sommerhaus. Das Joggen vor dem Frühstück würde ich mir mal sparen. Der Blick auf das Thermometer bestätigte dies, es waren 3 Grad plus und mir eh nicht richtig warm.

Ein schnelles Frühstück und dann los, wollte am ersten Arbeitstag ja nicht zu spät kommen. Richtig aufgeregt war ich eigentlich nicht, denn ich kannte sowohl meine neuen Kollegen schon zum Teil, zum anderen war mir die Arbeit auch nicht fremd. Es setze sich hier eigentlich nur der Job bei einer Reederei fort, für die ich von Deutschland aus bereits gearbeitet hatte.

Der Tag war schön und das Wetter eigentlich viel zu genial um zur Arbeit zu fahren. Hätte jetzt Lust gehabt durch die Dünen zu spazieren. Als ich im Hafen von Hanstholm aus dem Auto stieg, hatte ich das Gefühl, der Wind würde mir gleich die Ohren vom Kopf abreißen. Man ist als Küstenbewohner ja so einiges an Wind gewohnt, aber Nordsee ist doch „ein anderer Schnack“ wie wir an der Ostseeküste so sagen. 

Es gab ein großes „Hallo“ im Büro und aus dem Schwall dänischen Wortgutes, der nun über mich schwappte, entnahm ich echte Freude. Diese verstärkte sich dann um so mehr, als ich eine große Tüte Süßigkeiten verteilte. Ein Gastgeschenk sozusagen. Ich richtete mir meinen Arbeitsplatz ein und versuchte mich mit einer Mischung aus Englisch, Dänisch und Deutsch. Letzteres wurde dann aber schnell unterbunden. „Aus Dir machen wir nun einen richtigen Dänen - also Schluß mit tysk! Oha, Ähnliches hatte ich befürchtet.

Zum Frühstück versammelten sich alle Kollegen in der Kantine und es wurden die berühmtberüchtigten dänischen Leckereien aufgefahren. Jedem ein gekochtes Ei, zudem Weißbrot, Makrele mit Sahne, Thunfisch mit Mayo, røde Pølser, Medisterpølser, Krabbensalat, fette Salami, Leverpostei... und so weiter und so weiter. Ich staunte nicht schlecht. Scheinbar gab es nördlich der Grenze keine Probleme mit Cholesterin und Übergewicht. Wenn ich dies jeden Morgen essen würde, dann hätte ich spätestens in 2 Monaten einen Herzinfarkt oder würde mit dem firmeneigenen Gabelstapler ins Auto verfrachtet werden müssen. Meinen intern ersten Preis für besonders fette und schlecht schmeckende Salate gewann mit großem Vorsprung die Firma Graasten Salater. Die schienen es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, möglichst viele Landsleute möglichst kurzfristig der körperlichen Verfettung auszusetzen. Gratulation! Hoffentlich liest dies keiner von der Firmenleitung... oder gerade doch? Meine lieben Kollegen schien dies unterdessen aber nicht zu stören und sie mampften unverdrossen weiter.

Zum Mittagessen, hier gerne Frokost genannt, setzte sich dies übrigens fort. Für alle nicht-Dänen an dieser Stelle: Frokost hat mit Frühkost nichts zu tun! Das Frühstück heißt Morgenmad. Dies aber auch nur in Dänemark, in Norwegen würde man sich geflissentlich an die Stirne tippen, wenn jemand zur Mittagszeit ein Frokost haben wollte. Andere Länder, andere Sitten!

Gearbeitet habe ich auch, man glaubt es kaum. Ich bearbeitete alle nicht-dänischen Vorgänge, von denen gab es hier, wider Erwarten, doch reichlich! Um ehrlich zu sein verstand ich nicht wirklich alles, was mir von meinen Kollegen so gesagt wurde. Am Schlimmsten war es mit den Kollegen aus der Stauerei, denn dies waren nun echte „Eingeborene“ aus Thy und die versuchten es erst gar nicht mit „Reichsdänisch“. Von denen erntete ich in der Anfangszeit auch die meisten verständnislosen Blicke oder Fragen. Wie konnte man sich aus dem „bevölkerungsreichen“ Schleswig-Holstein ausgerechnet in die Region Thy verirren??!! ...so ab und an sollte ich mich dies in den folgenden Monaten auch noch fragen. Hier wohnen, bekannterweise, nämlich die wenigsten Menschen pro Quadratkilometer in ganz Dänemark.

Mit einer langen Liste von Vokabeln, die mir im Laufe des Tages so untergekommen waren, fuhr ich um 17.00 Uhr zurück in Richtung Nørre. Es war ziemlich dunkel, als ich Vorupør Klit und damit mein Ferienhaus erreichte. Mein Sofa-Tiger drängte seinen dicken Schädel durch den Türspalt hinaus und erkundete auf seine Art Land und Leute.

Es war jetzt warm in meiner Behausung, denn ich hatte die Heizung angelassen. Glücklicherweise war ein monatlicher Inklusivpreis für den Strom ausgehandelt worden. Als sehr glücklicher Umstand erwies sich auch die Satellitenschüssel auf dem Dach. Eigentlich war ich kein großer „Fernseher“, aber nach 8 Stunden dänischer Dauerbrieselung taten deutschsprachige Nachrichten echt gut.

Was macht man in einem kleinen Ort wie Nørre Vorupør am Abend? Kneipe, Kultur, Kino, Volkshochschule, Sportverein...?
Der geneigte Leser kann sich vorstellen, was da bleibt. Wir reden hier nicht von einer oder zwei Wochen Ferienhausurlaub mit Freunden im Sommer sondern von Monaten, die man zu der dunklen Jahreszeit alleine verbringt. Ich erwarte bitte Worte des Bedauerns!

In den folgenden Tagen stellte ich aber fest, wie toll der menschenleere, nächtliche Strand und wie einmalig schön der wolkenlose Sternenhimmel hier im Nordwesten Dänemarks ist. Ich erfreute mich zudem meiner stetig besser werdenden Kochergebnisse und Dänischkenntnisse, stellte erstaunt fest, dass ich 54 verschiedene TV Programme gucken könnte und dass Paulchen sich, als reiner Hauskater, in der dänischen Wildnis prima einlebte. Der richtige Griff bei Merko ins Flaschenregal bescherte mir die Erkenntnis, dass gerade die Hancock Brauerei im nahen Skive erstaunlich gutes Bier braute (wobei aber auch die Erzeugnisse der lokalen Brauerei aus Thisted nicht zu verachten sind!).

Kurze Ausflüge in das pralle Nachtleben Thisted´s endeten schon nach wenigen Versuchen - um eine Illusion ärmer. Auch die Versuche, joggender Weise, von meinem Ferienhaus aus durch die Dünen zum Strand zu kommen, denn es war einfach zu dunkel für läuferische Experimente. Ich beschränkte mich darauf, nach Sønder Vorupør zu laufen, dort den Bruder meiner Arbeitskollegin abzuholen und gemeinsam zur Kirche und zurück zu laufen. Zugegeben - weder von der Länge der Strecke noch von der Umgebung besonders anspruchsvoll, aber eine nette Abwechslung.

Die freien Tage nutzte ich intensiv und machte mit dem Auto die ersten Touren durch die Gegend. Zum Beispiel nach Agger Tange und dort an den schönen Strand oder auch raus auf die Landzunge zum kleinen Fähranleger nach Thyborøn. Sehr schön auch die imposante Kirche bei Vestervig oder ein paar Kilometer weiter, die im Örtchen Ydby. Wobei die kleinen Orte im Sommer sicher wesentlich anziehender sind als im November bei Schnee und Regen.

So vergingen die ersten Wochen. Man gewöhnte sich an den dänischen Rundfunk am Morgen, an die Makrele in Sahne zum Frühstück, an ruhige Abende, an den stetigen Wind, an das Feierabendbier im Dienst am Freitag, und an Paulchens immer länger werdende Exkursionen!

Irgendwann näherte sich dann das Wochenende der ersten Fahrt zurück ins heimische Norddeutschland. Diesmal würde ich aber eine andere Strecke wählen! ...Und dies hatte nichts mit Aberglaube zu tun!"

[Teil 1] Teil 2 [Teil 3]







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